11. Dezember 2024

Interview Geburtsvorbereitung

Viele Schwangere blicken mit Sorgen auf die anstehende Geburt. Hebamme, Elementarpädagogin und Yogalehrerin Katharina Wallner möchte Frauen mit ihrem Buch „Mini Mum“ genau diese Ängste nehmen und sie auf die anstehende Zeit vorbereiten. Wir haben ein Interview mit ihr geführt und diese wertvollen Tipps für euch.

JZB: Wann und wie hat dein Interesse rund um das Thema Geburt angefangen?

Katharina Wallner: Das war vor über 25 Jahren in meiner Ausbildung zur Elementarpädagogin. Damals durfte ich im Rahmen eines Praktikums dabei sein, als ein Baby auf die Welt kam. In diesem Moment war mir klar, dass ich Hebamme werden möchte.

    JZB: Und wann kamen für dich die Themen Achtsamkeit und Yoga dazu?

      Katharina Wallner: Sich weder in der Vergangenheit zu verlieren noch in die Zukunft abzuschweifen, wäre der Inbegriff eines achtsamen Lebens. Leben im Hier und Jetzt, wie es so schön heißt. Das gelingt mir natürlich auch nicht immer. Im Gegenteil. Ich habe oft viel zu viele Bälle in der Luft. In der Natur fällt es mir am leichtesten mich auf das Wesentliche zu fokussieren. Wenn ich in den Wald oder auf einen Berg gehe, kann ich am besten abschalten und auftanken. Beim Gehen habe ich oft kreativste Momente.

      Während ich mein Manuskript geschrieben habe, habe ich meine Gedanken mit Hilfe von Sprachnotizen auf meinem Handy festgehalten und sie danach für das Buch verarbeitet. Das Handy war also für diesen Zweck oft mit dabei. Es stundenlang aus der Hand zu legen, täte der Achtsamkeit allerdings richtig gut. Ich glaube, dass können viele heute gar nicht mehr – auch wenn sie nicht gerade ein Buch schreiben.

      Mein Weg zum Yoga war „typisch ich“ – ein bisschen Plan und viel Improvisation. Aufgrund einer Handverletzung musste ich einen lang ersehnten Kletterurlaub absagen und beschloss stattdessen, ohne je zuvor in nur einer einzige Yogastunde gewesen zu sein, ein Yogaretreat zu besuchen. Ich stellte es mir großartig vor und das war es dann auch. Yoga hat mich seither nicht mehr losgelassen.

      JZB: Wie kam es, dass du ein Buch zu diesen Themen geschrieben hast?

        Katharina Wallner: Mir haben immer wieder Familien, die ich in der Schwangerschaft oder den ersten Wochen nach der Geburt betreut habe, gesagt, dass ich all die Vorgänge und Veränderungen so gut und verständlich erklären kann und sie meine Formulierungen und meinen Humor sehr mögen. Das hat mich motiviert das Gesagte aufzuschreiben.

        Ich habe mir das allerdings ein bisschen einfacher vorgestellt, weil ich schon viele Jahre als Redakteurin arbeite und viele Artikel für Familienmagazine schreibe. Eine abgeschossene Geschichte über drei, vier Seiten zu schreiben ist aber so viel einfacher als ein ganzes Buch. Als ich den roten Faden gefunden hatte, bin ich dann glücklicherweise in einen wunderbaren Schreibfluss gekommen und wollte gar nicht mehr aufhören zu schreiben.

        JZB: Worum geht es in deinem Buch „Mini Mum“ und an wen richtet sich alles?

        Katharina Wallner: Ich begleite in diesem Buch werdende Eltern durch die Lebensphase der Schwangerschaft, Geburt und den ersten Tagen mit ihrem Baby. Wer sich einen klassischen Ratgeber mit klaren Verhaltensregeln erwartet, wird allerdings überrascht sein. Denn neben den Informationen über körperliche Veränderungen, Abläufe und ja, auch Herausforderungen, dieser besonderen Zeit, spielen die psychischen Aspekte der Familiengründung eine große Rolle. Ich werfe einen ganzheitlichen Blick auf diese besondere Zeit, habe Yogaübungen und Checklisten reingepackt und an vielen Stellen lade ich zum Reflektieren ein. MINI MUM wird dadurch zu einem ganz persönlichen Workbook.

        Beim Schreiben hatte ich meine Leser:innen immer vor Augen und habe versucht ihre unterschiedlichsten Lebensrealitäten mitzudenken – Alleinerzieher:innen, gleichgeschlechtliche Paare, belastete und unbelastete Menschen. Ich hoffe sehr, dass sich viele von dem Buch angesprochen und abgeholt fühlen. Meine 98-jährige Oma liest das Buch gerade mit der Lupe. Ich finde das so großartig und sie beweist mir, dass viele Themen darin für Menschen aller Lebensphasen interessant sein können.

        JZB: Warum ist die Geburtsvorbereitung so wichtig für Schwangere und wie hilft sie dabei, gelassener auf die Geburt zu schauen?

          Katharina Wallner: Eine Geburt ist ein großes, lebensveränderndes Ereignis. In diesem Prozess geschieht etwas, was man zuvor noch nicht erlebt hat. Das verlangt nach viel Selbstvertrauen und Mut. Sich darauf körperlich und mental vorzubereiten, gibt Halt und stärkt das Selbstbewusstsein. Ich empfehle in meinem Buch das Entwickeln eines Geburtsplanes. Man kann ihn auch gleich ins Buch schreiben. Denn wenn man sich im Vorfeld über manche Dinge, wie den passenden Geburtsort, die geeignetste Begleitperson oder Möglichkeiten von Gebärpositionen klar wird und diese auch niederschreibt, ist es meist leichter Entscheidungen zu treffen, diese zu kommunizieren, Grenzen zu ziehen und sich gleichzeitig vertrauensvoll dem Geschehen hinzugeben.

          JZB: Heutzutage gibt es unzählige Angebote. Welche Arten von Geburtsvorbereitungskursen sind sinnvoll und würdest du Schwangeren empfehlen?

            Katharina Wallner: Die Vielfalt an Angeboten hat den Riesenvorteil, dass nahezu für jede und jeden was dabei ist. Ich würde bei der Wahl des Angebots allerdings darauf achten, ob die Person, die den Kurs anbietet, eine fundierte fachliche Qualifikation hat. Dann ist schon mal viel gewonnen. Wenn dann noch einfühlsam auf Fragen eingegangen wird, wunderbar. Wer statt Informationen lieber ins Fühlen kommen möchte oder auf Entspannung und Atmung setzt, ist wiederum bei einem körperzentrierten Kurs viel besser aufgehoben.

            JZB: Das eigene Bauchgefühl spielt für dich auch eine große Rolle bei der Geburtsvorbereitung. Was denkst du, wann sollten werdende Mütter auf ihr Gefühl vertrauen und wann ist die Meinung anderer wichtig?

              Katharina Wallner: Intuition ist ein sehr guter Indikator und der inneren Stimme zu folgen führt oft auf den richtigen Weg. In der Schwangerschaft finden viele Veränderungen statt und man lernt den eigenen Körper nochmal von einer ganz anderen Seite kennen. Kein Wunder, dass man da manchmal nicht mehr hundert Prozent sicher sagen kann, ob alles in bester Ordnung ist. Wenn man sich also phasenweise unsicher fühlt, kann es guttun, sich mit einer Hebamme zu treffen und die Veränderungen gemeinsam einzuordnen. Von einer Hebamme in der Schwangerschaft begleitet zu werden ist etwas sehr Wertvolles und Schönes.

              JZB: Wie schaffen Schwangere es, sich nicht von der Flut an Informationen und Meinungen anderer verrückt machen zu lassen?

                Katharina Wallner: Durch eine sorgsame Auswahl an Information, die von guten Quellen kommen. Mit Quellen meine ich Menschen, die sich auskennen und wissen, wovon sie sprechen. Oder verständliche Fachliteratur, die objektiv berät.

                JZB: Hast du einen praktischen Tipp, was Schwangere in konkreten Angstsituationen machen können?

                  Katharina Wallner: Angst ist wichtig, weil sie uns das Überleben sichert. Schließlich müssen wir Gefahren erkennen und einschätzen können. Und hier sind wir auch schon am wesentlichen Punkt: Der richtigen Einschätzung. Ist diese Situation gefahrenvoll oder beängstigt sie mich, weil sie mir unbekannt ist? Empfinde ich vielleicht Unbehagen, weil mir die Umgebung fremd ist oder die Menschen, die um mich herum sind? Oft liegt es daran. Gut so, denn darauf kann man sich vorbereiten.

                  Man kann beispielsweise für die Geburt den richtigen Ort auswählen und sich im Vorfeld ein bisschen mit ihm vertraut machen. Wenn ihr zum Beispiel Angst vor Krankenhäusern habt, kann es hilfreich sein, mal ohne Grund ins Krankenhaus zu fahren und in der Cafeteria einen Kuchen zu essen oder im Krankenhauspark spazieren zu gehen. Einfach ohne zusätzlichen Stress das Gebäude anschauen, die Gerüche aufnehmen und die Wege abgehen. Die Begleitperson spielt rund um die Geburt meist auch eine große Rolle. Sie soll für euch da sein und kann Geborgenheit schaffen.

                  Und dann gibt es noch unsere Atmung. Sie begleitet uns ein Leben lang und kann wunderbar in die Entspannung führen, wenn eine Woge der Angst anrollt. Obwohl die Atmung zu unserem unwillkürlichen Nervensystem gehört, können wir sie dennoch bewusst ansteuern. Mit langgezogenen Ausatemzügen bringen wir Ruhe ins System. Doppelt so lange Ausatmen, wie Einatmen. Das hilft. Unbedingt dabei die Sekunden zählen. Dann ist das Gehirn damit beschäftigt und verdrängt alle Gedanken, die Angst machen.

                  JZB: Gibt es auch etwas, das du Frauen sagen möchtest, die noch nicht schwanger sind und es gerne mal werden möchten, aber große Angst davor haben?

                    Katharina Wallner: Vielleicht ist es wichtig sich darauf zu besinnen, dass Frauen von Natur aus stark, mutig und zäh sind. Wer uns das mit dem „schwachen Geschlecht“ eingeredet hat, wollte uns wohl, aus eigener Angst vor der unbändigen weiblichen Kraft, massiv einschüchtern.

                    Aber natürlich verändert eine Schwangerschaft sehr vieles: Den eigenen Körper, die Partnerschaft und den Lebensrhythmus. Die Entscheidung eine Familie zu gründen, treffen daher die wenigsten leichtfertig. Angst muss man, glaub ich, aber weder vor einer Schwangerschaft noch der Geburt oder diesem neuen Lebensabschnitt haben. Er gehört sicher zu den WUNDERvollsten die es gibt.

                    Mini Mum, Kremayr & Scheriau, 232 Seiten

                    Mehr zum Thema Schwangerschaft

                    • JETZT IM NEUEN HEFT:

                      • Wo soll ich entbinden?
                      • Linderung fürs Bäuchlein
                      • Wunderbare Stillzeit

                    • ONLINE

                      LESEN