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25. September 2023

Kinderwunsch: Sonja Neurohr über Hoffnungen und Realitäten

Auf ihrem Instagram Account sonjas_kiwu lässt die 33-Jährige ihre Follower*Innen an ihrem Alltag mit Kinderwunsch teilhaben. Dabei teilt sie auch immer wieder emotionale und bewegende Momente. Mit Jazumbaby spricht die Content Creatorin über die Hoffnungen und Realitäten ihrer persönlichen Kinderwunsch-Reise.

JZB: Seit wann hast du den Wunsch ein Kind zu bekommen? 

Sonja: Ich habe mir schon immer eine eigene kleine Familie gewünscht. Als ich 2018 meinen Mann kennen und lieben gelernt habe, stand für uns schnell fest, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben möchten. Und so habe ich recht zügig die Pille als Verhütungsmittel abgesetzt und wir sind 2019 aktiv in die Kinderwunschplanung gegangen. 

JZB: Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass es auf natürliche Weise leider nicht funktioniert? 

Sonja: Zu Beginn der Kinderwunschreise bin ich noch zuversichtlich an sie Sache ran gegangen. Ich habe meinen Zyklus per App getrackt, meinen Zervixschleim analysiert und mehrere Ovulationstest gemacht, um den LH Anstieg zu beobachten. Außerdem hatten mein Mann Sven und ich um den Eisprung vermehrt Geschlechtsverkehr. Als ich nach 8 Monaten immer noch keinen positiven Schwangerschaftstest in meinen Händen hatte, habe ich zu Sven gesagt, dass wir uns Hilfe holen- und unsere Körper kontrollieren lassen sollten. Ich bin sehr froh, dass wir keine Zeit verloren haben und uns schnell darüber einig waren. Man wird ja schließlich nicht jünger und bis man Diagnosen bekommt, können Monate (bzw. Zyklen) ins Land ziehen. 

Nachdem das Spermiogramm meines Mannes recht okay aussah, war klar, dass es an mir liegen muss, dass wir keinen Nachwuchs erhalten. Und genau das ist auch der Fall. Nachweislich sind bei mir beide Eileiter verschlossen bzw. verklebt und können nicht geöffnet werden. Ich habe PCOS (und somit auch nie wirklich einen Eisprung), fehlende KIR-Gene, hohe Killerzellen, die jeden Embryo als Fremdkörper abstoßen, Hashimoto als Schilddrüsenerkrankung und eine Gerinnungsstörung. Viele Diagnosen, die den Kinderwunsch erschweren. 

JZB: War euch direkt klar, dass ihr es auf andere Art weiter versuchen wollt? 

Sonja: Sven und ich haben uns lange über diesen Weg unterhalten. Es ist ein großer Einschnitt im Leben, der einiges verändert. Der Sex ist anders, die Beziehung verändert sich, ganz davon abgesehen ist es auch das Finanzielle, was einem mehr und mehr Sorgen bereitet. Mit dem Geld der Behandlungen hätten wir uns bereits einen schönen Kleinwagen leisten- oder eine traumhafte Kreuzfahrt machen können. Dennoch ist der Wunsch nach einem Kind bei uns beiden groß und wir sind beide Kämpfer. 

JZB: Für welche Methode habt ihr euch letztendlich entschieden und wie lange versucht ihr es damit schon? 

Sonja: 2019 haben wir damit begonnen, verschiedene Methoden der künstlichen Befruchtung auszuprobieren. Nach vier Behandlungen und einer Falschdiagnose haben wir uns auf die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) konzentriert. (Dort wird eine einzelne Samenzelle mit einer sehr feinen Nadel direkt in eine Eizelle injiziert, die zuvor dem Eierstock der Frau entnommen wurde). Aus der ersten ICSI Punktion konnten einige sehr gute Eizellen entnommen werden, sodass wir insgesamt vier Kryo Zyklen daraus generieren konnten. Das Problem war allerdings, dass mein Körper sie durch die Killerzellen wieder abgestoßen hat. Im November 2022 hatte ich dann leider eine biochemische Schwangerschaft, bei der ich unser Wunder in der fünften SSW wieder gehen lassen musste. Nun müssen wir die zweite ICSI abwarten. 

Die künstlichen Befruchtungen mussten wir zu Beginn komplett selbst bezahlen, weil wir noch nicht verheiratet waren. Für unseren unerfüllten Kinderwunsch und um zumindest einen kleinen Teil von der Krankenkasse erstattet zu bekommen, sind wir dann vor den Altar getreten. Da mein Mann privat versichert ist und ich gesetzlich, ist es aber weiterhin schwer, mit den Krankenkassen abzurechnen. 

JZB: Wie schaffst du es optimistisch zu bleiben und nach Rückschritten weiterzumachen? 

Sonja: Durch meine Borderline Persönlichkeitsstörung und meinen ohnehin hochsensiblen Charakter habe ich schon seit dem Jugendalter lernen müssen, aus einem tiefschwarzen Loch schnell wieder raus zu kommen. Ich habe viele Skills (Fähigkeiten) für den Alltag gefunden und erlernt, wie ich wieder weg von Schlechtem hin zu Gutem kommen kann. Dennoch ist es oft nicht leicht mit den Rückschritten zurecht zu kommen. Deswegen ist es wichtig, sich Hilfe zu holen und diese anzunehmen. Ich habe erkannt, dass das keine Schwäche, sondern eine Stärke ist. Generell sollten Menschen mit psychischen Erkrankungen und einem unerfüllten Kinderwunsch dafür nicht verurteilt werden. Sie sind bereit, an sich zu arbeiten, das ist etwas sehr Reifes, denn ohne Regen gibt es keinen Regenbogen!

JZB: Gibt es für euch einen Punkt, an dem ihr den Kinderwunsch doch aufgeben würdet? 

Sonja: Aufgeben ist für uns noch nie eine Option gewesen. Wir kämpfen bis zum bitteren Ende! Wenn die finanziellen Mittel allerdings aufgebraucht sind, müssen wir uns wohl damit abfinden, keine Kinder in unserem Leben haben zu können. Eine Adoption steht aktuell nicht im Raum. Denn leider sind die Chancen sehr gering, wenn ein Elternteil nachweislich eine psychische Erkrankung hat. Da ist es egal, ob man einem Kind viel Liebe, Geborgenheit und ein schönes Zuhause bieten kann. Hier sind die Vorurteile der Gesellschaft noch sehr groß. 

JZB: Wann und wie kam dir die Idee mit dem Instagram-Account? 

Sonja: Zu Beginn der Kinderwunschreise habe ich mich sehr einsam gefühlt. Ich konnte mit niemandem über dieses Thema sprechen, da es in der Gesellschaft immer noch sehr totgeschwiegen wird. Es gab keinen Austausch mit anderen und auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis hat niemand ähnliche Erfahrungen machen müssen wie mein Mann und ich.

Für mich stand nie zur Debatte, mich hinter meinem Profil zu verstecken. Deshalb habe ich mich schon immer offen, ehrlich und transparent gezeigt. Ich zeige mich in meinem Account oft verletzlich und auch meine Tränen, wenn sie da sind. Das ist in Ordnung so, denn auch diese Seiten sind völlig normal bei einem unerfüllten Kinderwunsch und meine Traurigkeit darf Raum haben. Das stößt oft auf Gegenwind, doch wenn ich nur einer Person damit helfen kann, gehört und verstanden zu werden, dann weiß ich, dass ich den richtigen Weg gewählt habe. Ich möchte das über das Thema mehr gesprochen wird!

JZB: Was möchtest du deinen Follower*innen vermitteln? 

Sonja: Ich möchte zeigen, dass das Leben nicht immer Pommes und Disco ist! Und schon gar nicht in den sozialen Medien, wo vieles in einer „Heilen Welt“ gezeigt wird. Hinter einem unerfüllten Kinderwunsch steckt sehr viel Angst, Trauer, Verzweiflung und Einsamkeit. Niemand muss sich dafür schämen, bei seinem Traum nach einem Kind auf ärztliche Hilfe angewiesen zu sein. Es gibt viele Paare mit einem unerfüllten Kinderwunsch und Sterncheneltern. Es sollte dringend mehr über diese Themen gesprochen- und aufgeklärt werden. Auch psychische Erkrankungen sollten kein Tabuthema mehr sein. Betroffene haben es ohnehin schon schwer genug. 

JZB: Wie gehst du mit negativen Kommentaren in Bezug auf den Kinderwunsch um? 

Sonja: Im Alltag komme ich gut damit zurecht und kann negativen Kommentaren immer gute Gegenargumente geben. Im Internet sind es immer wieder die ungefragten guten Tipps und Hassnachrichten, die mich oft belasten und mir wehtun. Doch der Wunsch aufzuklären, das Thema zu enttabuisieren und anderen Paaren Kraft und Mut zu geben, ist stärker als jeder negative Kommentar, den ich erhalte. Wo andere Frauen (noch) ganz leise sind, bin ich umso lauter. Und auch mit meinen Kiwu Kämpferherz Shirts, die ich mit viel Herzblut selbst designt habe und die es auf Amazon zu kaufen gibt, möchte ich ein Zeichen setzen. Es tut dem Herzen gut, wenn man verstanden und angenommen wird. Eine starke Kiwu-Community zu haben ist Goldwert. Und ich freue mich über jede Person, die meine Reise auf Instagram mitverfolgt. Herzlichen Dank! 

Steckbrief

Name: Sonja Neurohr
Alter: 33 (25.10.1989)
Wohnort: Singen am Hohentwiel (nähe Bodensee) 
Dort bist du zu finden: Instagram, TikTok, Youtube: sonjas_kiwu

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