Bild: AdobeStock

23. Oktober 2023

So lassen sich kindliche Wutanfälle vorbeugen

Solche Situationen kennen bestimmt alle Eltern: Das Kind will unbedingt in der neuen Badehose in den Kindergarten, auch wenn es draußen regnet und nur 7 Grad hat. Oder es müssen unbedingt Cornflakes am Morgen sein und auf keinen Fall Haferflocken…. Schon kommt es wie aus dem nichts zu einem Gefühlsausbruch der Kleinsten, der unsere Tagesplanung durchkreuzt. Dann kommt man zu spät im Kindergarten an, fährt unter Zeitdruck zum anstehenden Arzttermin oder zum Kinderturnen….

Früher hieß es: Das Kind „trotzt“, doch inzwischen weiß man, dass die Kleinsten im Lauf des ersten Lebensjahres ein Bedürfnis nach Autonomie entwickeln und Dinge selbstständig machen wollen, auch wenn sie dabei trotzdem noch sehr viel elterliche Unterstützung brauchen. Solche Situationen führen dann zu Frust und enden oft in einem Wutanfall. Wichtig ist es für Eltern in diesen bestimmten Situationen, dass man die dahinter liegenden Bedürfnisse der Kinder versteht und ins Miteinander kommt.

Grundsätzlich stehen kleine Kinder morgens nicht aufstehen und haben Lust, ihre Eltern zu ärgern. Doch gerade in den ersten Lebensjahren gibt es für sie soviel in unserer Welt zu begreifen und sie müssen sich zunächst selbst kennenlernen. Daher kann es passieren, dass gerade der Übergang von einer Situation in die nächste besonders herausfordernd für das Kind ist. Typische Übergangssituationen sind zum Beispiel morgens die Themen nach dem Aufstehen, also dass das Kind seinen Schlafanzug ausziehen, sich waschen, neue Kleidung anziehen und anschließend frühstücken sollte. Auch beim Abholen der Kleinsten aus dem Kindergarten oder der Kita kann es schnell zu solchen Situationen kommen. Hier ist oft der Wechsel vom Spielen der Kinder in den für sie plötzliche Aufbruch aus der Betreuung betroffen.

In solchen Situationen können kleinen Helfer wie ein Planer, ein Wecker oder eine Sanduhr helfen. Wenn man genau ankündigt, wann was passieren wird, gibt das schon den Kleinsten Sicherheit und den Eltern mehr Klarheit. So fördert man auf einfache Art und Weise die Autonomieentwicklung und Kooperationsbereitschaft des Nachwuchses.

Mit der Unterstützung von diesen Hilfsmitteln geht es vor allem darum, mit seinem Kind ins Gespräch zu kommen: 

  • Was steht an? Was haben wir vereinbart?
  • Was wünschst du dir heute? Was ist mir wichtig?
  • Auf welchen Kompromiss können wir uns einigen?

Gerade bei den Themen wie Schnuller, Zähneputzen oder Einschlafen kommt es in vielen Familien zu Diskussionen mit und Wutanfällen der Kleinsten. Mit gewissen Ritualen und Hilfsmitteln kann man diesen gut vorbeugen. 

Beim Thema Schnuller kann man am besten schon morgens mit seinem Kind feste Zeiten ausmachen, wann der Schnuller zum Beispiel in die Schnullergarage kommt. Ideal ist es, wenn man hier dem Kind etwas Neues als Alternative anbietet. Man kann so Alltagssituation, die bisher immer vom Schnuller begleitet wurde, mit etwas Neuem kombinieren und beispielsweise beim zu Bett gehen den Schnuller in die Garage legen und stattdessen noch ein Buch vorlesen.

Einfacher gelingt das, wenn man den Nachweis bei solchen Entscheidungen mitentscheiden lässt. Das Kind darf zum Beispiel selbst überlegen, ob man den Schnuller beim Einkaufen wegschickt oder wegwerft. Oder vielleicht direkt nach der Kita oder vor dem Schlafen gehen oder oder oder.

Auch beim Zähneputzen kommt es in vielen Familien zu Wutattacken der Kleinsten. Wenn man den Kindern zwar einen klaren Rahmen vorgibt, dass das Putzen auf jeden Fall stattfindet, das Kind aber mitbestimmen lässt, wann, wo und wie, nehmen die Wutanfälle ab. So kann das Kind zum Geispiel entscheiden, dass es sich erst den Schlafanzug anziehen, dann das Buch anschauen und dann Zähneputzen will. Oder erst in die Badewanne und danach Zähneputzen. Vielleicht gibt es auch ein bestimmtes Lied oder einen Reim, das bzw. den Mama und Papa immer dazu singen können. Haltet eine Auswahl aus verschiedenen Zahnbürsten und -pasten bereit oder zieht eine Figur oder eine Handpuppe zu Hilfe, die dem Kind die Essensreste wegputzen. Auch spielerisch lassen sich die Zähne der Kleinsten meist einfach putzen:  Vielleicht spielt ihr gerade gerne Zahnarzt oder seid Entdecker:innen der Mundhöhle? 

Um beim abendlichen Einschlafen oder beim anstehenden Mittagsschlaf Wutanfälle zu verhindern, ist elterliche Klarheit entscheidend. Überlegt Euch: Warum möchtest du etwas verändern? Was ermöglicht dir das? Was im Guten ermöglicht es deinem Kind? 

Anschließend muss man genau schauen und klären, was im Einzelnen machbar ist: Bei welchem Schlaf ist es deinem Kind eher möglich selbstständiger einzuschlafen? Habt ihr alle Fähigkeiten am Tag geübt, die es für ein selbstständigeres Einschlafen braucht? 

Im Laufe des 2. Lebensjahres entwickeln Kinder ihr „ICH-Bewusstsein“. Dann bemerken sie, dass sie eine eigenständige Person sind und wollen ihre Bedürfnisse erfüllen. 

Dies könnten u.a. sein: 

  • Bedürfnis nach Ruhe 
  • Bedürfnis nach Sicherheit 
  • Bedürfnis nach Nahrung 
  • Bedürfnis nach Bindung 
  • Bedürfnis nach Nähe 
  • Bedürfnis, sich zu spüren
  • Bedürfnis nach Selbstbestimmung
  • Bedürfnis nach Kreativität

Wichtig ist es, nicht nur unsere eigenen Bedürfnisse zu kennen, sondern auch die unserer Kinder. Auch wenn viele Situationen im Alltag unter Zeitdruck stressig sind, ist es besonders wichtig, unseren Kindern bei diesen Übergangssituationen zu helfen.

Oft kommt es gerade in diesen Übergängen zu starken Emotionen und Kinder müssen diese dann auch spüren und sie aushalten können. Das heißt nicht, dass wir unseren Nachwuchs dann allein damit oder sogar weinen lassen, sondern ihnen Hilfe anzubieten: „Brauchst du Unterstützung“ und „Ich bin für dich da“ sind gute Beispielsätze, die die Kleinsten emotional begleiten, sie signalisieren Aufmerksamkeit und Empathie. Gefühle sollte man in solchen Situationen immer akzeptieren, denn sie gehören dazu und helfen uns, uns besser zu verstehen.

Im Familienalltag sind für stressige Zeiten und für Übergangssituationen Hilfsmittel und Übersichten wichtig. Das können Tagesplaner für die Morgen- oder Abendroutine sein, die zusammen mit den Kindern besprochen werden. Sie helfen, sowohl das Bedürfnis nach Spiel und Spaß und gleichzeitig das Bedürfnis nach Autonomie in Einklang zu bringen. 

Routinen im Alltag sind dabei wie für uns Erwachsene auch für die Kleinsten wichtig, denn sie geben Orientierung und Struktur – für Eltern und Kinder. Manche Kinder benötigen mehr Begleitung durch die Eltern als andere.  

Allgemein lässt sich zusammenfassen, dass vor allem in der Autonomieentwicklung die elterliche Begleitung mit viel Orientierung wichtig ist und den Familienalltag erleichtern kann. So oder so lässt sich letztlich ein Wutanfall sicherlich nie komplett vermeiden und das sollte auch nicht das Ziel sein. Bei einem Wutanfall können Kinder und auch wir Erwachsene viel über die Gefühle der Kinder lernen. In erster Linie, dass Gefühle okay sind und dass sie zu uns gehören!

* Catja Eikelberg ist Logopädin, Kognitionswissenschaftlerin und Gründerin von InnerMe, einem Online Concept Store für Eltern, in dem sie in Zusammenarbeit mit weiteren Therapeut:innen, Ärzt:innen und anderen Experten wertvolle Tipps für Eltern liefert. 

von Catja Eikelberg*

Mehr zum Thema Entwicklung

  • JETZT IM NEUEN HEFT:

    • Wo soll ich entbinden?
    • Linderung fürs Bäuchlein
    • Wunderbare Stillzeit

  • ONLINE

    LESEN